
Seit letztem Donnerstag ist es offiziell: es soll keinen Tagebau Jänschwalde Nord geben und die Dörfer Kerkwitz, Grabko, Atterwasch sind nicht mehr von der Zerstörung durch den Tagebau bedroht. Mit einer Andacht (Nun danket allen Gott!) in der vollen Kirche in Atterwasch gedachten am Sonntag (02. April) hunderte Menschen den jahrelangen Auseinandersetzung um die Abbaggerung ihrer Dörfer. Und gefeiert wurde nach der Andacht auch: deftig mit Kartoffelsuppe, eingelegten Gurken und Bier, dem Nachmittag angemessen mit viel Kuchen, Quarkkeulchen, Torte und allem, was die Feiernden selbst mitbrachten.
Ein häufiges Thema der Menschen war die Frage, wo sie denn waren, als sie von der Entscheidung erfuhren. Für die rund 900 EinwohnerInnen der drei Dörfer überwiegt – verständlicher Weise – die Erleichterung. So erzählte Christian Huschga aus Atterwasch: „Schon seit Jahren war es unwahrscheinlich, dass der Tagebau Jänschwalde Nord kommt. Mit dem Ende der CCS-Technologie (Kohlendioxid-Abscheidung und Endlagerung) war klar, dass es kein neues Kraftwerk geben wird und somit kein neuer Tagebau benötigt wird. Das war einerseits sicher, doch andererseits gab es keine definitive Entscheidung. Die Unsicherheit blieb.“ Und diese Unsicherheit hatte sich auch in die Familien und die Lebensplanung hineingefressen: „Ich schaue jetzt ganz anders auf meinen Hof, früher habe ich mich häufig gefragt, ob es sich noch lohnt dieses oder jenes zu investieren, das ist nun anders. Und auch für meine Kinder gibt es nun eine Perspektive.“ fährt Huschga fort. „Für mich endet auch eine Melancholie, wenn ich in die Landschaft schaue. Noch vor Wochen war es so, dass ich Wald und Natur gar nicht wirklich genießen konnte, weil ich dachte: Das kommt alles weg! Das ist nun zum Glück vorbei.“
Bei der Feier und der Andacht waren auch EinwohnerInnen anderer betroffener Dörfer anwesend, so aus Proschim und aus Rohne. Für die Proschimer ist das Ende des Tagebaus Jänschwalde Nord der Anfang, selbst werden sie noch in Unsicherheit leben müssen, ob der Tagebau Welzow Süd II noch kommt – die Entscheidung soll erst bis 2020 fallen.
Ganz andere Probleme gibt es im Bereich des Tagebaus Nochten. Dort war die Planung der Umsiedlung schon weit fortgeschritten. Einige EinwohnerInnen hatten sich bspw. neue Grundstücke gekauft und ihre Lebensplanung auf den Tagebau ausgerichtet. Darüber hinaus wurde bereits seit Jahren nicht mehr in die Infrastruktur der Dörfer Rohne und Schleife investiert. So müssen Straßen, Brücken und Schulen und andere Infrastruktureinrichtungen nun dringend erneuert werden. Doch dafür ist auch eine landesplanerische Entscheidung des Landes Sachsen notwendig, denn noch gelten die Gebiete als tagebauvorranggebiet, in das nicht investiert werden darf. Laut Angaben der Einwohner hat das Baumsterben in Wäldern und Gärten auf Grund der Grundwasserabsenkung nun bereits begonnen und die Lieferung von Trinkwasser wird problematisch bleiben. Für die Sorben/Wenden ist der Erhalt des Kirchspiels Schleife von großer Bedeutung, hat diese Region doch eigene spezifische Traditionen und einen eigenen Dialekt.
Zu erwarten ist aber, dass die Auseinandersetzungen in diesen Dörfern zunächst anhalten werden. Danach gefragt erklärt Edith Penk aus Rohne: „Es gibt Menschen, die bei mir anrufen und sich für den jahrelangen Widerstand bedanken, teilweise anonym. Die Diskussion in den Dörfern wird nicht einfach, aber das wird die Zeit zeigen, ob es dann so etwas wie Versöhnung geben kann. Die Situation ist schwierig, aber zunächst einmal sind Rohne und Schleife gerettet!“